Die religiöse Perspektive
Die Beiträge der drei abrahamischen Religionen zum Konflikt im Heiligen Land
Einflüsse aus der Vergangenheit des Judentums
Die Zerstörung des ersten Tempels
Zum besseren Verständnis müssen wir 2600 Jahre zurückgehen: zur Zerstörung des ersten Tempels der Juden. Der König von Babylon, Nebukadnezar, war im Anmarsch. Am Hof von Zedekiah, dem König der Israeliten, gab es eine einflussreiche religiöse Partei, deren Führer zum König sagten: Hab keine Angst, wir haben den Tempel des Herrn, wir sind geschützt. Gib dem Feind nicht nach! Auf der anderen Seite stand der Prophet Jeremiah. Er sagte zum König: Sei bitte nicht abergläubisch. Der Tempel wird uns nicht schützen. Wir müssen den Tempel schützen. Bitte schließ Frieden mit Nebukadnezar. Wenn nicht, wird er den Tempel zerstören.
Der König hörte auf die religiöse Partei.
Jeremiah ließ er ins Gefängnis werfen.
Nebukadnezar kam, eroberte Jerusalem, zerstörte den Tempel und ließ die Führungsschicht der Israeliten gefangen nehmen und nach Babylon bringen.
Die Zerstörung des zweiten Tempels
In ähnlicher Weise wiederholte sich die Geschichte mehr als 650 Jahre später. Zu dieser Zeit waren die Römer die Herrscher über das Heilige Land. Sie waren den Amerikanern unserer Zeit sehr ähnlich. Sie hatten nicht die Absicht, anderen Völkern irgendwelche religiösen Praktiken aufzuzwingen oder zu verbieten – was sie interessierte, war ein ungestörter Warenverkehr. Dazu diente ihnen ihre politische Dominanz. Sie unterstützten den jüdischen König Herodes großzügig und halfen ihm, den zweiten Tempel luxuriös auszubauen, weil Herodes seinerseits die römische Herrschaft unterstützte.
Aber zu jener Zeit gab es auch nationalreligiöse Bewegungen, die eine Unabhängigkeit von Rom erzwingen wollten. Sie verübten Terrorakte gegen die Römer. Als Reaktion darauf erhöhten die Römer den Druck, was im Gegenzug das jüdische Aufbegehren stärkte und schließlich zu einem regelrechten Krieg führte, dem der zweite Tempel zum Opfer fiel – erneut mit einem erheblichen Anteil von religiösem Extremismus auf jüdischer Seite.
Die Lehre aus diesen Beispielen
Beide Ereignisse zeigen klar, dass das Wort Religion zwei grundverschiedene Bedeutungen hat. Die erste bezieht sich auf das, was Religion im Ursprung meint, nämlich absolute Ehrlichkeit und ein Eingestehen der Abhängigkeit voneinander – und damit eine Öffnung für das Mitgefühl.
Die andere Bedeutung von Religion ist die Identifikation mit einer Gruppe und damit die Unterscheidung zwischen wir und die – wodurch das Mitgefühl schließlich nur für die eigene Gruppe zugelassen wird, während die andere als Feind betrachtet wird.
Diese zweite Bedeutung hat der Religion einen sehr schlechten Ruf beschert. Aus diesem Grund wird Religion heute im Friedensprozess als nicht unbedingt hilfreich gesehen. Aber beide, sowohl die Bibel wie der Koran, geben klare Beispiele für das, was Religion im Ursprung bedeutet, und damit für die Kraft der Versöhnung und die Fähigkeit, Frieden zu schließen.
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